TRIZ/TIPS – Spaß an neuen Ideen?
- Dr-Ing. Andreas Kaufmann
- 10. Okt. 2017
- 3 Min. Lesezeit
In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte Genrich Altschuller, in der damaligen UDSSR, eine Methode einer systematischen Innovationsphilosophie, genannt TRIZ. Dieses Kürzel steht für das russische Akronym der Theorie des erfinderischen Problemlösens (engl. Theorie of Innovativ Problem-Solving TIPS). Seine Theorie stellt Werkzeuge im Bereich der Systematik, des Wissens und der Analogien zur Verfügung, um die Lösung technischer Probleme nicht mehr dem Zufall eines kreativen Momentes zu Überlassen. Was mich von Anfang an dieser Methode fasziniert hat, ist das innovative Potential der ausführlichen Problembeschreibung. Ich möchte das in diesem Blog kurz an einem Beispiel darstellen, das jeder, zu mindestens jeder Brillenträger in nördlichen Breiten, kennt. Dem Beschlagen der Brillengläser im Winter wenn man einen warmen Raum betritt.
Die Problemformulierung gliedert den Prozess, in diesem Fall das Beschlagen des Brillenglases, in möglichst einfache Ursache-Wirkungsfunktionen. Man unterscheidet nützliche Funktionen und schädliche Funktionen. Ich verzichte an dieser Stelle auf eine vollständige Problemformulierung, weil sie für mein Beispiel nicht notwendig ist, und gebe nur die beiden relevanten schädlichen Funktionen an.
Schädliche Funktion: Glastemperatur ist niedriger als die Taupunkttemperatur des umgebenden Raumes, deshalb kondensiert ein Teil der Luftfeuchtigkeit auf dem Glas.
Schädliche Funktion: Die Oberflächenspannung des Glases ist niedriger, als die des kondensierten Wassers, deshalb bilden sich mikroskopisch kleine Tröpfchen, was zur Trübung des Glases führt.
Die gängige Lösung des Problems konzentriert sich auf die zweite schädliche Funktion. Dafür wird die Oberflächenspannung des Glases erhöht, so dass das kondensierte Wasser sich als Film niederschlägt. Ein wässeriger Oberflächenfilm ändert die optischen Eigenschaften des Brillenglases nur marginal. Eine hohe Oberflächenspannung verhindert zwar das Eintrüben, aber erschwert die Reinigung des Glases deutlich. Für „Easy-to-Clean“ ist eine möglichst niedrige Oberflächenspannung erwünscht. Wie könnte man diesen Widerspruch auflösen.
Dafür sollte man die erste schädliche Funktion betrachten, denn in ihr spielt die Oberflächenspannung des Glases keine Rolle, und versuchen zu verhindern, dass die Taupunkttemperatur unterschritten wird, und somit keine Kondensation der Luftfeuchtigkeit stattfindet. Die Antwort ist offensichtlich, das Glas aufheizen. Es gibt genügt elektrisch heizbare Schichtsysteme, wie z.B. CNT (carbon nano tubes). Problematischer ist die Energieversorgung einer solchen Heizung. Ein System mit Sensorik und einem Akku könnte zwar die technischen Anforderungen erfüllen, wäre aber wohl dem Tragekomfort und oder der Ästhetik einer Brille abträglich.
Wie könnte ein autonomes, alternatives Energieversorgungssystem für ein elektrisch beheizbares Brillenglas aussehen? Hier hilft die Stoff-Feld-Analyse von TRIZ/TIPS weiter. Sie besteht im einfachsten Fall aus einen Feld und zwei Stoffen. Das thermische Feld ergibt sich aus der Formulierung der ersten schädlichen Funktion automatisch. Auch die beiden Stoffe, Brillenglas und umgebende Atmosphäre sind schon in der Problemformulierung enthalten.
Das thermische Feld wird beschrieben durch die Änderung der Temperatur, wenn der Brillenglasträger den warmen Raum betritt, und die Temperaturdifferenz zwischen der Brille (alternativ könnte man hier auch den Brillenträger betrachten) und der Umgebung. Nach Seebeck ergibt sich für zwei elektrisch leitende Materialien deren Kontaktpunkte eine Temperaturdifferenz aufweisen eine elektrische Spannung. Diese Spannung ist proportional der Temperaturdifferenz (Thermoelement). Damit wird deutlich warum ich den Brillenträger mit in das System aufnahm, denn er liefert an den Punkten, an denen die Brille in Kontakt mit ihrem Träger ist eine relativ konstante Temperatur von >30°C. Bei sinkender Umgebungstemperatur würde die elektrische Spannung ansteigen, und damit das Brillenglas stärker beheizt werden. Dieses sollte vor allem das Abkühlen des Brillenglases verhindern, während sich der Brillenträger im Kalten befindet. Ob die so erzielten Spannung in dem vorgegebenen Temperaturbereich ausreichen, um das Beschlagen des Glases zu verhindern, spielt für die Diskussion der Generierung neuer innovativer Ideen erstmal keine Rolle, denn die Überprüfung der Umsetzbarkeit ist ein anderes Thema.
Aber es gibt ja noch die zweite Eigenschaft des thermischen Feldes, die Änderung der Umgebungstemperatur während des Betretens des Raumes. Diese Änderung lässt sich durch den pyro-elektrischen Effekt einiger polarer Kristalle, wie dem Turmalin, zur Erzeugung einer elektrischen Spannung nutzen. Bekannt sind solche Kristalle z.B. in der IR-Sensorik zur Detektion kleinster Temperaturunterschiede. Sie liefern relativ hohe Spannungen, hier wäre eher die Frage wie schnell das Aufheizen gelingt, um das Beschlagen des Glases zu verhindern, ohne die Glasoberfläche/-schicht durch Thermospannungen zu schädigen.
Ob einer der beiden Lösungsansätze, oder eine Kombination aus beiden, eine wirtschaftliche Lösung ergibt sei dahingestellt. Aber ich hoffe gezeigt zu haben, wie einfach und elegant das Generieren neuer Lösungsansätze mit Hilfe von TRIZ/TIPS sein kann.
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